24. Mai 2023

Phädra

Im Musée départemental Arles antique steht ein ziemlich fragmentarischer Sarkophag aus der Mitte des dritten Jahrhunderts, der sogenannte Sarkophag der Phädra (Phaedra, Phaidra, Phèdre) und des Hippolytus. Immerhin kann man auf dem Relief erkennen, wie Eros im Auftrag der Aphrodite Phädras Herz in Brand steckt, wodurch sie sich in ihren Stiefsohn Hippolytus verliebt.

Detail, Vorderseite links (Aufnahmen vom 8. Mai 2023, M10-R, Summilux 1:1.4/35 ASPH)

In Marcel Prousts »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« kommt wiederholt Racines »Phèdre« (1677) ins Spiel; meist geht es um Verborgenes und Verbotenes, um Verbergen und Gestehen, um Erwartungen und Enttäuschungen. Die Schauspielerin Berma tritt als Phèdre auf, zitiert wird aus deren Geständnissen gegenüber der Kammerzofe und Hippolyte.

Agnese Grieco hat 2022 die Studie »Phädras Ehre« vorgelegt. Jürgen Kaube bespricht in der FAZ vom 24. Februar 2023 diesen „klugen, ungemein gedankenanregenden und sehr lebendigen Essay“ ausführlich und zieht als Fazit: „Für Agnese Grieco ist die Geschichte der Phädra eine über die Rolle des Eros in der griechischen Gesellschaft, ihres Begriffs des ‚Hauses‘, das unter männlicher Vorherrschaft steht, und ihrer Begründungen für diese Überlegenheit der Männer.“

Grieco beginnt ihren Text mit einem autobiografischen Statement:

Ich habe mich in Phädra verliebt, als ich ein Mädchen war.
Eine Gymnasiastin.
In Phädra, nicht in Antigone oder Kassandra.
Keine Weltverbesserin, keine Heroine, Phädra.
Eine verliebte Frau.
Eine dark lady, die dem Geliebten den Tod gibt.
Eine Verliebte, Unheil bringende, intellektuelle Selbstmörderin und Mörderin.

Agnese Grieco, Phädras Ehre, Berlin 2022