25. November 2022

Vincent van Gogh in Arles

Vincent van Gogh lebte und arbeitete – auf der Suche nach dem Licht des Südens – vom 20. Februar 1888 bis 8. Mai 1889 in Arles, Provence.

In den letzten 20 Jahren war ich sechs Mal in Arles, zwischen Tages- und Wochenaufenthalten wechselnd. Meist waren die Rencontres de la Photographie der Anlass; beim bisher letzten Mal im Oktober diesen Jahres stand hingegen die fotografische Spurensuche nach Vincents Motiven im Fokus.

Eine sehr gute Vorbereitung war für mich die Lektüre folgender Bücher:

  1. Uwe M. Schneede: Van Gogh in Arles: Gemälde 1888/1889, München 1989 (Schirmer/Mosel)
  2. Gloria Fossi: Vincent van Gogh. Eine fotografische Spurensuche. Mit Fotografien von Danilo De Marco und Mario Dondero, Darmstadt 2021 (wbg THEISS)
  3. Vincent van Gogh: Briefe. Ausgewählt und herausgegeben von Bodo Plachta, Ditzingen 2019 (Reclam)
  4. Van Gogh Museum and Huygens ING: Vincent van Gogh The Letters, Webarchive, Oktober 2021

Fast alle berühmten Bilder van Goghs

[…] sind längst durch Vermarktung im Reproduktion- und Reklamewesen vernutzt.

Während für die Bilder selbst jedoch gelten kann,

[…] sie erneut in ihrer künstlerischen Bedeutung und mit ihrer anhaltenden Sprengkraft wahrzunehmen[,]

Schneede, s.o.

gestaltet sich die fotografische Spurensuche gar nicht so einfach, wie es uns das örtliche Touristikbüro weismachen will. Die gebaute Stadtlandschaft und der Bewuchs haben sich verändert, die baulichen Veränderungen reichen von Kriegszerstörung bis zum Fake-Nachbau. Überall geparkte Autos verstellen oft die freie Sicht auf das Motiv. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass der Maler nicht fotografisch bzw. perspektivisch „exakt“ sondern frei gestaltete – man kann keines der Motive so wie auf den Gemälden dargestellt heute in der Realität noch finden.

Die Brücke von Trinquetaille

Es gibt mindestens zwei gemalte Versionen dieser Rhone-Brücke zwischen Arles und dem Vorort Trinquetaille:

Die Brücke von Langlois

Schneede zufolge hat van Gogh zweimal im März, zweimal im April und einmal im Mai 1888 gemalt. Diese Brücke am Arles-Bouc-Kanal gibt es nicht mehr; in den 1950er Jahren waren alle 10 Brücken zerstört und abgebaut worden. Heute sehen wir einen funktionslosen und kleineren Fake-Nachbau – der nichtsdestotrotz so etwas wie ein Magnet für nicht nur asiatische Touristen ist.

s.a. Briefe (585, 587)

Der Nachbau der Brücke von Langlois bei Arles

Vincents Haus in Arles (Das Gelbe Haus)

Das ursprüngliche Haus am Place Lamartin wurde am 25. Juni 1944 durch alliierte Bomber zerstört und später komplett abgerissen. Das heute dort stehende Eckhaus hat mit dem »Gelben Haus« nichts gemeinsam; es gibt nicht mal einen Hinweis auf van Gogh. Im Hintergrund sieht man die Eisenbahnbrücken, ein weiteres Bildmotiv.

Haus am Place Lamartin 2

Die Eisenbahnbrücke

Diese Brückenanlage sieht heute natürlich auch anders aus als zu Vincents Zeiten: Der Weg links ist zugebaut / versperrt (und deshalb nicht im Bild), der Mittelpfeiler ist verschwunden. Ein heutiges Bild vom Motiv entwickelt nicht mehr diesen Tiefensog.

Eisenbahnbrücke

Les Alyscamps

Die Elysii Campi sind eine römische Nekropole, von der nach der Zerstörung im 19. Jahrhundert immerhin noch eine Allee mit Sarkophagen übrig blieb.

Der von van Gogh gewählte erhöhte Standpunkt (1, 2, 3) ist heute so nicht mehr einnehmbar.

s.a. Briefe (716, 717)

Sarkophage Les Alyscamps
Sarkophage

Der Eingang zum öffentlichen Park

Der von van Gogh gemalte Eingang ist heute mit Zaun und Tür verbaut. (Im Hintergrund sieht man eine Informationstafel des Touristikbüros zum Motiv.)

Eingang zum Park

Garten des Hospitals von Arles

Vincent van Gogh wurde am 23. Dezember 1888 in das Hôtel-Dieu eingeliefert und dort von Félix Rey behandelt; in den Folgemonaten musste er mehrmals dorthin zurückkehren, ehe er im Mai 1889 in das Krankenhaus von Saint-Paul-de-Mausole (Saint-Remy-de-Provence) ging. (Von dort, aus seinem angeblichen Zimmer stammt das Beitragsbild oben.)

Der Innenhof des ehemaligen Krankenhauses Hôtel-Dieu ist heute viel üppiger bewachsen als man es auf Vincents Bildern sehen kann.

Innenhof des ehemaligen Krankenhauses in Arles

Caféterasse bei Nacht

Die Terrasse des Cafés ist das wohl häufigst „vernutzte“ Bild (Schneede, s.o.) van Goghs.

ein Café am Abend, von außen gesehen…

[…] ein Nachtbild ohne Schwarz, nur mit schönem Blau und mit Violett und Grün, und in dieser Umgebung wird der beleuchtete Platz zu blassem Schwefelgelb und Zitronengrün […]

Vincent van Gogh, Brief 678

Das Grand Café du Forum (Café la nuit) am Place du Forum hatte Ende Oktober geschlossen. Kurz nachdem ich am Vormittag dieses Foto gemacht hatte, waren auch die noch zu sehenden Stühle und Tische weggeräumt.

Caféterasse

Die alte Mühle

Zum Schluss noch ein selteneres Motiv: Die alte Mühle in der Rue Mireille im Quartier Moulères von Arles – die damals einzige Mühle in der Gegend. (Fossi, s.o.) Heute ist davon nicht mehr viel zu sehen. Hinter einer Mauer existiert eine Baustelle, es gibt einen wohl schon länger unfertigen Anbau.

alte Mühle

Soweit fürs Erste, 25. November 2022.