5. Dezember 2023

Lektüren – Hölderlin

(Lektüre für Jahre, Text wird fortgesetzt, das je aktuellste steht oben)

05.12.2023

Patrick Eiden-Offe: EDITIONSPHILOLOGIE ALS AKTIVISMUS: Der umkämpfte Hölderlin

29.11.2023

Am 19. November verstarb der Herausgeber der Frankfurter Hölderlin-Ausgabe Dietrich E. Sattler.

(Der Nachruf in der FAZ vom 27. November 2023.)

06.06.2022

Vor zwei Jahren erschien dieses Buch der beiden Psychiater und Hölderlin-Experten Jann E. Schlimme und Uwe Günther: »Hölderlin. Das Klischee vom umnachteten Genie im Turm«. Die Autoren lassen Hölderlin als Experte in eigener Sache, in Selbstauskünften sprechen und Vertrauenspersonen über ihr Miteinander mit Hölderlin berichten. Hinzu kommen ärztliche Aussagen. Ein vorsichtiges Fazit in Thesenform wird gezogen, die vierte und fünfte These seien hier in ihrer jeweiligen Kurzform zitiert:

THESE IV

Hölderlin blieb auch in den zweiten 36 Jahren seines Lebens Mitgestalter seiner Lebenszeit und als Dichter aktiv.

THESE V

Hölderlin fand in seiner zweiten Lebenshälfte heimatliches Asyl. Dies war mehr, als er vorher finden konnte.

ebd., S.109 bzw. 110

07.01.2022

D. E. Sattler schreibt im 1986 herausgegebenen Supplement III der Frankfurter Hölderlin Ausgabe, der qualitativ hochwertigen Faksimile-Ausgabe des sog. Homburger Folioheftes:

daß eine   n u r   w e r k­ b e z o g e n e   Faksimile-Dokumentation den komplizierten Verhältnissen innerhalb der Konvolute nur selten, dem   k o n z e p t i o n e l l e n   K u n s t c h a r a k t e r   jener Handschriften gar nicht gerecht wurde. Dem Dichter konnte das Medium nicht gleichgültig bleiben, dem er seine Hoffnungen, im Augenblick der Versuchung auch die Verzweiflung anvertraute: das falbe Laub, auf welchem die Traube(n), des Weines Hoffnung bis heute ruhten. Deswegen ist nichts an diesen Papieren bedeutungslos, nichts an ihnen zufällig.

Beiheft zur o.g. Faksimile-Ausgabe, S. 19f.

Das betrifft auch den Abdruck einer Rotweinflasche, in deren Mitte der Dichter das Wort »Fleißig« geschrieben hat.

05.01.2022

Weiter soll die Lektüre gehen, etwas weiter, im Buch von Roland Reuß »…/ Die eigene Rede des andern«  Hölderlins Andenken und Mnemosyne – der dritte Teil zu Mnemosyne steht noch aus. Mein Trigger war hier die Diskussion über den Beginn der sogenannten Zeichenstrophe in: Werner Hamacher, »Wozu Hölderlin, 1934, in Deutschland?« (eine Auseinandersetzung mit Heideggers Interpretation in dessen Hölderlin-Vorlesung, eben 1934).

Nach kursorischer Kenntnisnahme diverser Text-Konstitutionen und Kommentare (in der Frankfurter, der Münchner, der Bremer Hölderlin-Ausgabe) und der Beschäftigung mit dem Faksimile der Handschrift des Homburger Folioheftes (s. a. die sehr gute diachrone Darstellung auf der Website der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart) bin ich zunächst etwas desorientiert: was will ich? –

Weiter geht’s.

Hier noch die erste Periode der Strophe:

Ein Zeichen sind wir, deutungslos
Schmerzlos sind wir und haben fast
Die Sprache in der Fremde verloren.

Das ist lt. diachroner Darstellung ein Teil der 34. Textschicht auf diesem Blatt.
Die ersten Zeilen auf Seite 91 des Homburger Folioheftes, Schnappschuss von meinem Exemplar aus dem FHA-Supplement

19.11.2021

Verschwiegene Freunde: Hegel und Hölderlin, Urtheil und Seyn – so lautet die Kapitelüberschrift in Patrick Eiden-Offes Buch »Hegels Logik lesen. Ein Selbstversuch«. Eiden-Offe erläutert die Bezugnahme Hegels in der Begriffslogik auf ein frühes philosophisches Fragment Hölderlins aus dem Frühjahr 1795 über Seyn, Urtheil, Modalität. – »15 Jahre nach dem letzten persönlichen Zusammentreffen der Freunde und ein Jahrzehnt nach Hölderlins Internierung in Tübingen.« (P.E.-O.) Und ohne Namensnennung oder anderen Verweis.

Die Art, in der Hegel den Gedankengang des kurzen fragmentarischen Textes aufnimmt und fortführt […], kann auch als Fortführung jener »Systemphilosophie« gelesen werden, die Hegel und Hölderlin in den Jahren ihres Zusammenseins praktiziert haben. Hegel jedenfalls hat Hölderlin offenbar nicht vergessen, und es besitzt ein durchaus auch philosophisches fundamental in re, wenn wir mit Adorno festhalten wollen, daß Hegels philosophische Prosa der Logik es »mit der exponiertesten Prosa Hölderlins« durchaus aufnehmen kann.

Patrick Eiden-Offe, Hegels Logik lesen. Ein Selbstversuch, S. 107

Ich habe mich für einige Zeit in die Texte und deren diverse Interpretationen verloren, insbesondere Henrich ist für mich dabei auf spezielle Art anspruchsvoll bis überfordernd. D. E. Sattler hat ja in der Frankfurter Hölderlin Ausgabe und auch in seiner Bremer Ausgabe ganz klar gegen Beißners in der Stuttgarter Ausgabe erstveröffentlichten Fassung der Reihenfolge der beiden Seiten des Fragmentes Stellung bezogen; Knaupp ist ihm da gefolgt, er titelt auch vorsichtig in Paranthesen gesetzt: (Seyn, Urtheil, Modalität). Henrich nimmt 1966 Beißners Titel Urtheil und Seyn und Reihenfolge hin, diskutiert diese aber, und zeigt eine Tendenz zur Umkehrung der Reihenfolge (im Hölderlin-Jahrbuch, 14. Bd., 1967). 1992 ist er wieder ganz bei Beißner. Eiden-Offe zitiert (s.u.) nach der Bremer Ausgabe, behält in seiner Darstellung »aber die Reihenfolge der Abschnitte bei, die in der Stuttgarter Ausgabe vorgegeben ist und die auch der Deutungsgeschichte zu Grunde liegt«. – Hier soll es egal sein. Ich reiße im Folgenden zur Anschauung nur die Original-Absätze von Hölderlin und Hegel aus deren Werken und den Diskussionszusammenhängen heraus.

Urtheil ist im höchsten und strengsten Sinn die ursprüngliche Trennung des in der intellectualen Anschauung innigst vereinigten Objects und Subjects, diejenige Trennung, wodurch erst Object und Subject möglich wird, die Ur=Theilung. Im Begriffe der Theilung liegt schon der Begriff der gegenseitigen Beziehung des Objects und Subjects aufeinander, und die nothwendige Voraussetzung eines Ganzen wovon Object und Subject die Theile sind. »Ich bin Ich« ist das passendste Beispiel zu diesem Begriffe der Urtheilung, als theoretischer Urtheilung, denn in der praktischen Urtheilung sezt es sich dem Nichtich – nicht sich selbst entgegen.

Friedrich Hölderlin, aus: »Seyn Urtheil Möglichkeit«, in: Bremer Ausgabe Bd. 4, S. 163f.

Bei Hegel wird Hölderlins Etymologie des Urteils als Ur-Teilen wie folgt verwertet:

Es kann nun die Betrachtung des Urtheils von der ursprünglichen Einheit des Begriffes oder von der Selbstständigkeit der Extreme ausgehen. Das Urtheil ist die Diremtion des Begriffs durch sich selbst; diese Einheit ist daher der Grund, von welchem aus es nach seiner wahrhaften Objectivität betrachtet wird. Es ist insofern die ursprüngliche Theilung des ursprünglich Einen; das Wort: URTHEIL bezieht sich hiermit auf das, was es an und für sich ist.

G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, Zweiter Band: Die subjective Logik oder Lehre vom Begriff, Zweytes Kapitel: Das Urtheil, S. 55

26.05.2021

In Roland Reuß, »…/ Die eigene Rede des andern«  Hölderlins Andenken und Mnemosyne erfolgt bei Vers 31 (Andenken) eine umfangreiche Ausdeutung des Wortes ‘seellos’. Reuß zitiert dabei (in der Fußnote 429 auf Seite 242) aus Hölderlins Homburger Brief vom Juli 1799 an Schelling; mich beeindruckt bzw. schockiert beim Nachlesen der unterwürfige Ton des Briefes an seinen beruflich ach so erfolgreichen Jugendfreund. (Daß im danach abgedruckten Brief an Goethe der Tonfall ebenso ist, kann erwartbar genannt werden.) Eine im Abdruck gute Buchseite lang erläutert H. dem S. seine Beschäftigung mit humanistischer Bildung und ein daraus entstandenes Journal-Projekt – für das er ihn als gelegentlich Beitragenden gewinnen will. 

Verzeihe mir diese schwerfällige Vorrede, mein Theurer! aber die Achtung gegen dich ließ mir nicht zu, Dir mein Vorhaben so ex abrupto zu verkündigen und es schien, als wär’ ich Dir gewissermaaßen Rechenschaft schuldig von meinen Beschäftigungen, besonders da ich leicht fürchten konnte nach meinen bisherigen Producten, daß ich das Zutrauen, das du ehemals in meine philosophischen und poëtischen Kräfte zu sezen schienst, jezt, da ich dir hätte die Probe geben sollen, nicht mehr in dem vorigen Grade besize.

Dir, der mit dieser nur zu seltenen Vollständigkeit und Gewandtheit die Natur des Menschen und seiner Elemente durchschaut und umfaßt, wird es ein Leichtes seyn, Dich auf meinen beschränkteren Gesichtspunct zu stellen und durch Deinen Nahmen und Deine Theilnahme ein Geschäfft zu sanctionieren, das dienen soll […]

zit. nach Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke und Briefe, Bd. II, herausgegeben von Michael Knaupp, S. 791-795, hier S. 793

22.04.2021

Neu eingegangener, älterer Lesestoff:

20.03.2021

Zu Hölderlins 251. Geburtstag
»Andenken« (dort unter dem Datum 20.3.2021)
Gelesen und frei eingeleitet von Roland Reuß

23.01.2021

Menninghaus in dieser u.g. Studie auch zu Andenken:

»In Andenken hat Hölderlin durch etliche über den Text verstreute adoneische Wortgruppen (wie »unter den Winden«, »langsamen Stegen«, »goldenen Träumen«, »duftenden Becher«, »fleißig die Augen«) seinen vielleicht bekanntesten Adoneus überhaupt vorbereitet, der zugleich Schluß der Strophe, Schluß des (pindarischen) Gedichts und gnomischer Haltepunkt der Komposition ist: »Was bleibet aber, stíften die Díchter.« Es bezeugt Hölderlins Meisterschaft der verleugnenden Form, daß der freirhythmische Vers »Was bleibet aber, stiften die Dichter« geradezu zum Gassenhauer werden konnte, ohne daß erkannt wurde, daß die zweite Vershälfte ein perfekter deutscher Adoneus ist. Das metrische Hypogramm gibt den großen pindarischen Gebilden ganz buchstäblich eine sapphisch-adoneische Unterschrift.«

S. 98f.



20.01.2021

zu
Wilfried Menninghaus, »Hälfte des Lebens. Versuch über Hölderlins Poetik«, Suhrkamp 2005
und
Ulrich Knoop, »Hälfte des Lebens«, in: »Friedrich Hölderlin, Neun Nachtgesänge. Interpretationen«, Edition Text 19, Wallstein 2020 

Seite 205

Ulrich Knoop interpretiert Hälfte des Lebens nahezu rein inhaltlich, einige Zitate:

»Es handelt von der Dichtkunst – und ihren Schwierigkeiten, also nicht von biographischen Problemen mit der Aussicht auf einen „Winter“ des Lebens. Ganz im Gegenteil: Der Winter ist offensichtlich die Jahreszeit des Dichtens.«

S. 218

»Die erste Strophe ist […] alles andere als idyllisch: wir erfahren schon in den Versen 4 bis 7, wie prekär die Lage des Dichters ist. […] Hälfte des Lebens stellt also dar, dass ein Dichter angesichts der Natur nicht so zu einer Verbindung mit ihr kommen kann, wie er das bei den Schwänen sehen kann, und dass er (deshalb) fürchtet, das Gedicht nicht verfassen zu können.«

S. 222, 223

»[…] was der Autor von Hälfte des Lebens zum Ausdruck bringen will: Er ist Dichter (am deutlichsten in den Versen „wo nehm’ ich“), er fürchtet, im Winter, die Blumen, den Sonnenschein und den Schatten der Erde nicht zu haben, so dass das ausbleiben muss, was sein Leben zu einem ganzen macht: sein dichterisches Leben.«

S. 225

Menninghaus will mit seiner zwischen 1994 und 2005 entstandenen Studie anhand Hälfte des Lebens zeigen, daß die antike Referenz von Hölderlins späten Gedichten (1800-05) nicht nur Pindar sondern auch Sappho (und Alkaios) ist. Dazu untersucht er »vorrangig die Dominante von Hölderlins Arbeit an der Sprache: Metrum und Rhythmus.« Menninghaus integriert in seine Analyse »mythologische Horizonte des Gedichts, Hölderlins Philosophie der ›Schönheit‹ und zentrale Aspekte seiner ›Theorie‹ der Dichtung, allen voran die Lehre von der konstitutiven Selbstverleugnung, als welche Hölderlin die Arbeit der dichterischen Form begreift.« (S.10) 
Auch hier einige Zitate:

»Die […] erfolgte Abkopplung von jeder inhaltlichen Pindar-Nachfolge und die Versetzung in den Raum eines extrem kurzen Gedichts sorgen dafür, daß die pindarischen Merkmale genau so kryptisch bleiben wie die sapphischen und die alkäischen. In rein formaler Hinsicht kann das Gedicht demnach mit gleichem Recht als ein pindarisierendes Kurzgedicht einerseits, als ein frei mit Fragmenten der sapphischen und der alkäischen Ode arbeitendes Gebilde andererseits gelesen werden.«

S. 74

»Indem Hälfte des Lebens durch die Responsion von adoneischem Titel und Schlußvers ein sapphisch konnotiertes Sprachmoment stärker markiert als wohl alle anderen späten Gedichte Hölderlins, bereitet es kraft der kompositorischen Durchdringung der sapphischen mit pindarischen und alkäischen Elementen eine durchaus generelle Einsicht in […] Hölderlins späte[r] Sprache vor. Hälfte des Lebens ist mithin keineswegs ein Kuriosum am Rande einer völlig andersartigen Produktion in pindarischer Großform. Vielmehr zielt Hölderlins dichterische Arbeit der negativen Form auch und gerade in seiner pindarischen Phase durchgängig darauf, Merkmale des Pindarischen und der lesbisch-äolischen Lyrik trotz aller Verschiedenheit […] in ein komplexes Wechselspiel zu integrieren.«

S. 99

»Indem Hälfte des Lebens die denkbar unheroischen Jünglingsfiguren Adonis und Narcissus nicht nur evoziert, sondern zum formalen Medium lyrischen Sprechens selbst macht, durchschlägt das sapphische Gedicht gerade die narzisstischer Befestigungen, die Hölderlin in so unvergleichlich kreativer Weise im Dichter-Heros Pindar finden konnte. In diesem Sinn ist vielleicht tatsächlich das kleine Gedicht ein exorbitanter Ort, an dem Hölderlin sich der inhärenten Problematik seiner großen pindarischen Gedichte stellt: nämlich gerade in dem Versuch überpersönlichen Sprechens – der Dichter als mythischer Heros und ›Mittler‹ – um so tiefer in ein kommunikatives Abseits und in immer größere Entfernung von lesbaren empirischen Weltbeziehungen zu geraten.«

S. 107

»[…] so kurzen Gedichts, das zugleich Natur- und Empfindungsgedicht, eine Reflexion der midlife crisis, eine Mischung sapphischer, alkäischer und pindarischer Verselemente, eine Neulektüre von Adoneus und Adonis, ein Remake von Ovids berühmter Episode über Schönheit, Spiegelung und Tod des Narcissus und Stellungnahme zur Poetik und Philosophie der Zeit ist.«

S. 109

Menninghaus zitiert Hölderlin übrigens nach der Stuttgarter Ausgabe sowie nach Sattlers Ausgabe »Sämtliche Werke. Kritische Textausgabe«, 1979-1988 bei Luchterhand; er ignoriert die Frankfurter Hölderlin Ausgabe.

15.12.2020

Der arme Hölderlin, in: Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht. Gesprächsraum Romantik

Im Sommer hatte ich beim Aufräumen den Prosa-/Essay-Band »Gesprächsraum Romantik« von C. und G. Wolf, 1985 im Aufbau-Verlag erschienen, im Regal gefunden. (Es gibt eine 2008 im Insel-Verlag erschienene Ausgabe.) Darin wiederum dann das von Gerhard Wolf 1968 geschriebene, 1972 erstmals gedruckte, und nun von mir 2020 gelesene Prosastück »Der arme Hölderlin«. Dies ist eine an biographischen Ereignissen der Jahre 1799 bis 1806 orientierte Text-Montage mit integrierten Werk-Versatzstücken, eine poetische Chronik. Relativ viel Raum nehmen einige Figuren aus seinem Freundeskreis ein. (Sinclair verwundert mich dabei nicht, eher schon z. B. Böhlendorff.)

Der Text hätte eine Wiederveröffentlichung in diesem Jubeljahr verdient gehabt.

01.12.2020 (Rückschau)

R. Reuß, »…/ Die eigene Rede des andern«  Hölderlins Andenken und Mnemosyne

Roland Reuß, »…/ Die eigene Rede des andern«  Hölderlins Andenken und Mnemosyne
Das Buch hatte ich zunächst als Bibliotheksexemplar, inzwischen habe ich ein jüngst antiquarisch erworbenes Exemplar verfügbar (nach 30 Jahren immer noch in allerbester Qualität, 1A-Fadenbindung und -Leimung, 750 Seiten, 1kg).
Interessant, wichtig auch einige „allgemeine“ Ausführungen Reuß’, z. B. zur Bedeutung der Versgrenze. Hat man dies verstanden, so kann man sich von den allermeisten im Internet kursierenden Rezitationen (z. B. leider auch die der Herren Zischler und Gumbrecht auf dem YouTube-Kanal des DLA Marbach) nur schamvoll abwenden. Nicht so beim großen Bruno Ganz! Es gibt eine CD von 1984 (ECM New Series 1285), er liest hervorragend wie immer – und mit Respekt vor der Bedeutung von Versgrenzen und Strophenfugen. Apropos ‚und‘: Daß ein Vers mit ‚Und‘ beginnt, betont – dem ersten Anschein entgegen – die Kluft, die zwischen ihm und dem vorigen Vers liegt. Gerade indem die Konjunktion explizit verknüpft, wird sie zum Zeichen der Getrenntheit des Zu-Verknüpfenden. Jedes ‚Und‘, besonders aber eines im Material eines poetischen Textes, fügt nur insofern zusammen, als es zugleich auseinanderhält. […]
Alleine dieses Buch bietet fundierten Stoff für Jahre…

D.E. Sattler, Friedrich Hölderlin. 144 fliegende Briefe (noch ungelesen)

D.E. Sattler, Friedrich Hölderlin: „Wie Meeresküsten […]“, Vorlesung I/1 (zur Entzifferung der Seiten 68/69 im Homburger Folioheft), in: Text Kritische Beiträge, Heft 3, 1997

Arnfried Astel im Gespräch mit D.E. Sattler über die FHA, 24.09.1975, SR-Mitschnitt
D.E. Sattler liest Hölderlins Entwurf »Das Nächste Beste«, darin enthaltend »Der Winkel von Hahrdt« 

Gespräch über die Bd. 7 & 8 der FHA (Groddeck, Martens, Reuß, Staengele), in: Text Kritische Beiträge, Heft 8, 2003 – & Sattlers Repliken auf seiner Homepage

Dossier (III) Frankfurter Hölderlin-Ausgabe, Dokumente 1975 (Hg. D.E. Sattler), in: Text Kritische Beiträge, Heft 3, 1997
Dossier (II) Frankfurter Hölderlin-Ausgabe, Dokumente 1972-1974 (Hg. D.E. Sattler), in: Text Kritische Beiträge, Heft 2, 1996
Dossier (I) Frankfurter Hölderlin-Ausgabe, Dokumente 1972-1974 (Hg. D.E. Sattler), in: Text Kritische Beiträge, Heft 1, 1995

Vortrag in Heidelberg von KD Wolff zur Verlagsgründung, der Geburt der FHA 1975, was der SDS damit zu tun hatte, zu den damaligen Streitereien mit der Hölderlin-Gesellschaft, zur von BK Kohl vermittelten Finanzhilfe usw. (Vortragsmitschnitt dort unter 16.10.2020)

Friedrich Hölderlin, »Neun Nachtgesänge. Interpretationen« (Edition Text 19; Hrg. Roland Reuß in Zusammenarbeit mit Marit Müller):
– 9, »Der Winkel von Hahrdt«
– 8, »Lebensalter«
– 6, »Ganymed«, hier insbesondere über die äußerst dichte 6. Strophe; interessant Fußnote 43 »Hölderlins eigene  Reflexion auf sprachliche Dichte hat ihre konzentrierteste Formulierung in dem Notat „Je mehr Äußerung, desto stiller / Je stiller, desto mehr Äußerung.“, siehe FHA 7, S. 129, Z. 26f.
– 7, »Hälfte des Lebens«

Parallellektüre: im Foto unten liegt die Faksimileedition des handschriftlichen Entwurfs der Heidelberg-Ode Hölderlins

Friedrich Hölderlin, »Heidelberg, Faksimileedition des handschriftlichen Entwurfs«, Hrg. Roland Reuß in Zusammenarbeit mit Marit Müller; zur Edition s. a.  Reuß‘ Vortrag in Ffm (22.9.) und die Ausstellung im Kurpfälzischen Museum Heidelberg;  s.a. die Edition in den Frankfurter und Homburger Entwurfsfaszikel (Faksimileedition in den Supplementen der FHA)

Hölderlin-Jahrbuch 1994/95, vergleichende Rezension der beiden dreibändigen Hölderlin-Ausgaben (Jochen Schmidt im Deutschen Klassiker Verlag, Michael Knaupp bei Hanser)

Über die verschiedenen Editionen, Textkonstitutionen, Streitereien,…; Hölderlin-Jahrbücher (der Hölderlin-Gesellschaft), Ausgabe 1975/77: Sattlers dort 1976 gehaltener Vortrag sowie mehrere kritische Beiträge zum ersten Beispielband der FHA und Sattlers Methodik)

In der Folge des Vortrages erneute Beschäftigung mit D. E. Sattlers FHA, Bände 7/8 (Die Gesänge). Die drei Kassetten mit Faksimiles aus der FHA bestellt. Nun erst Sattlers Homepage entdeckt. – Unendlich Material. 

Roland Reuß hielt am Sonntag einen Vortrag im Freien Deutschen Hochstift Frankfurt; im Zentrum stand die Problematik der Transkription der Handschriften Hölderlins. (»An Thills Grab«, »Die Wanderung«, »Ihr sicher gebaueten Alpen«, »Das nächste Beste«; »Heidelberg«). Da war so viel Leidenschaft und Expertise zu spüren!

Im Frankfurter Verlag Stroemfeld / Roter Stern ist im Laufe von 30 Jahren editorischer Arbeit unter D. E. Sattler die Historisch-Kritische Ausgabe Sämtlicher Werke »Frankfurter Ausgabe« (FHA) erschienen. Klostermann vertreibt nun, nach der Stroemfeld-Pleite den vorhandenen Bestand.  – Die einzeln erhältlichen Bände 7, 8 sowie 20 haben ihren Weg zu mir gefunden…

Tübingen, Hölderlin-Turm
Tübingen, 29.07.2020